Im „Klein Primes‘ begann der Erfolg des mittelständischen Familienunternehmens, das zwei Weltkriege, zwei Inflationen und Brandstiftung überstand. Dirk Lumbeck führt das Unternehmen mit seiner Schwester Ulrike Lumbeck-Lahmer. Wenn Sie mehr über die Geschichte der Familie und des Unternehmens „Holz Lumbeck“ erfahren wollen, lesen Sie das folgende Interview zwischen Redakteurin Editha Roetger und Ulrike Lumbeck-Lahmer im März 2015.
Langenberg 1827
917 männliche und 943 weibliche Personen, außerdem zwei Kirchen, eine Synagoge, drei Pfarrhäuser, ein Rektorat, zwei Elementarschul- und drei Spritzenhäuser, 204 Wohnhäuser, 60 Nebengebäude, vier Fabriklokale, drei Mühlen und 13 Scheunen und Schoppen zählte Langenberg im Jahre 1827. Es war das Jahr, in dem Friedrich Lumbeck das Gemischtwarengeschäft „Klein Primes“ in der Hellerstraße übernahm. Damals zogen dort die Kohletreiber von Kupferdreh nach Wuppertal vorbei, die Kundschaft waren vor allem Langenberger, die die wichtigsten Dinge für den Lebensunterhalt kauften und die Dorfneuigkeiten austauschten. Vier Jahre später wurde Langenberg zur Stadt erhoben.
Interview zwischen Frau Roetger und Frau Lumbeck-Lahmer
Editha Roetger: Frau Lumbeck-Lahmer, Sie und Ihr Bruder Dirk Lumbeck sind inzwischen in sechster Generation in diesem Familienunternehmen tätig. Während immer mehr Familienbetriebe schließen oder aufgekauft werden, bleibt Holz Lumbeck in Familienhand. Machen Sie sich dennoch sorgen um die Zukunft?
Ulrike Lumbeck-Lahmer: Zu keiner Zeit. Das Unternehmen hat zwei Weltkriege überlebt, zwei Inflationen und einen vorsätzlich gelegten Brand. Ich bin mir sicher, dass wir – wie damals die dicken, alten Holzpfeiler, die den Brand überstanden haben – auch für die Zukunft gut gewappnet sind. Mein Bruder Dirk übernahm 1992 die Geschäfte. Trotzdem blieb unser Vater bis zu seinem Tod vor fast genau einem Jahr immer als Unterstützung mit dabei. Dieses sachte Übernahme war sehr gut und wird sich wiederholen. Im Sommer fängt mein Sohn Robin Lahmer hier im Unternehmen an. Derzeit befindet er sich noch in der Ausbildung in Oldenburg. Es war uns wichtig, dass er einen guten Ausbildungsplatz hat und bei der dortigen Holzgroßhandlung viel lernt und seine Erfahrungen sammelt.
Editha Roetger: Auch das scheint Tradition zu haben, dass die Nachfolger jeweils in anderen Häusern ihre Ausbildung machen.
Ulrike Lumbeck-Lahmer: Das ist richtig, mein Bruder absolvierte seine Ausbildung zum Holzkaufmann im Sauerland, unser Vater, Gustav Lumbeck (III), war sogar gelernter Schreiner. Er hat damals beim alten Sonnenschein gelernt, der unser direkter Nachbar war. Hermann Sonnenschein hatte seine Schreinerei dort, wo heute Bruckhaus drin ist – also gleich nebenan. Das mein Vater auch Schreiner war, war sehr gut. Er hatte einfach Ahnung von der Materie. Früher kamen viel mehr Handwerker zu uns. Heute wird das Meiste leider industriell gefertigt. So haben sich natürlich auch unsere Abnehmer gewandelt. Immer häufiger kaufen auch Endverbraucher bei uns ein. Trotzdem bleiben wir wichtige Partner für das Handwerk.
Mein Vater übernahm damals nach dem 2. Weltkrieg das Geschäft von Gustav Lumbeck (II) und dessen Bruder Friedrich (III). Die beiden Brüder hatten das Familienunternehmen durch zwei Weltkriege führen müssen.
Editha Roetger: Es gab so etwas wie eine eigene Währung bei Ihnen, bzw. Ihre Holzgroßhandlung hatte eine eigene Verrechnungseinheit entwickelt, um der galoppierenden Inflation gegenzusteuern. Wie kann man sich das genau vorstellen?
Ulrike Lumbeck-Lahmer: Der erste Weltkrieg brachte Massenarbeitslosigkeit und Inflation nach Deutschland und auch in die Stadt Langenberg. Meine Vorfahren waren sehr geschickt. Friedrich (III) gelang es in der Zeit der totalen Inflation 1923 den Verfall der Reichsmark vorauszuberechnen. Vielleicht kann man sich das heute schwer vorstellen, aber die Ware, die verkauft war, behielt ja ihren Wert, während das Zahlungsmittel Reichsmark innerhalb kürzester Zeit nur noch halb so viel oder noch weniger Wert war. Wer also seine Rechnung erst eine oder zwei Wochen später zahlte, zahlte einen Preis, der weit unter unserem Einkaufspreis lag. Wir wären ruiniert gewesen. Mit der Berechnung, mit der der ungefähre Verfall der Währung vorausgesehen wurde, konnte so der Preis zum Zeitpunkt der Zahlung ermittelt werden. Auch andere Kollegen im Großraum Wuppertal verließen sich auf seine Berechnungen und handelten mit der ‘Holzmark’.
Editha Roetger: Holz Lumbeck feierte im Jahr 2002 das 175-jährige Firmenjubiläum. Bald 190 Jahre gibt es ihre Firma, allerdings haben Sie nicht immer mit Holz gehandelt.
Ulrike Lumbeck-Lahmer: Mein Vorfahr Friedrich Lumbeck (I) übernahm zunächst den Gemischtwarenladen im „Klein Primes“, das Geschäft in der heutigen Hellerstraße 9.
Editha Roetger: Das Haus hat viele Geschäfte gesehen. Angefangen hat es wohl als Ergänzung zur Gastwirtschaft Groß Primes, gleich nebenan. Im „Klein Primes“ war lange Zeit auch eine Gastwirtschaft, sogar ein Tanzsaal in der ersten Etage.
Ulrike Lumbeck-Lahmer: Mir ist das Haus aus den Unterlagen meiner Vorfahren bekannt. Ich selbst weiß nur von einer Heißmangel, die es dort mal gab und später das Spielwarengeschäft Meisborn. Heute sind die Post und ein Wollgeschäft dort untergebracht. Insgesamt blieb das Lumbecksche Geschäft dort aber nur rund acht Jahre.
Sohn Friedrich (II) Lumbeck zog mit dem Geschäft 1835 in das Haus „In der Schmitten“, heute Hauptstraße 39. Wenn man das heutige Langenberg sieht, muss man sich vorstellen, dass es vor gut 200 Jahren hier noch ganz anders aussah. Damals bestand Langenberg aus wenigen Häusern um den Ortskern und verstreut liegenden Bauernhöfen. Sonntags kamen die Bauern zur Kirche und erledigten anschließend gleich gegenüber ihre Geschäfte. Sie versorgten sich mit dem, was der eigene Hof nicht hergab. Im „In der Schmitten“ war gleichzeitig auch das Bürgermeisteramt untergebracht und meine Familie hatte eine Schankerlaubnis. So konnten sich Brautleute das Ja-Wort geben und danach, oder generell nach dem Kirchgang, eine Stärkung zu sich nehmen. Das Haus war also ein zentraler Ort in mehrfacher Hinsicht.
Editha Roetger: Wann kam Ihr heutiges Kerngeschäft – der Handel mit Holz – dazu?
Ulrike Lumbeck-Lahmer: Schon seit 1850 boten die Lumbecks auch Holz mit an. Doch in den Gründerjahren forderte die eifrige Bautätigkeit in und um Langenberg immer mehr von diesem Material. Mein Urgroßvater Gustav (I) Lumbeck erkannte dies und ließ an der Heegerstraße das heutige Geschäftshaus mit Pferdestall und gleich daneben ein Wohnhaus bauen. 1899 zog die Firma um und baute den Holzhandel umfassend aus. Auch andere Baustoffe wie Kalk und Sand sowie Petroleum ließen das Geschäft im Stadtkern auseinander platzen. Von dem Standort etwas außerhalb wurden die Waren mit schweren belgischen Kaltblütlern zu den Kunden gefahren. Diese Lumbeckschen Gespanne waren weit bekannt.
Mit der Ansiedlung in der Heegerstraße kam auch die Gleisanbindung an das Streckennetz der Deutschen Reichsbahn dazu. Schon damals importierten wir aus Ostpreußen, Bukowina, Jugoslawien, Rumänien, Tschechien, Schweden und Finnland. Heute kommen die Hölzer über Importeure aus aller Welt. Die Schienen liegen heute noch und erleichtern mit einer Lore die Arbeit.
Editha Roetger: Sie erzählten von der Inflation und wie geschickt ihre Vorfahren das Unternehmen vor wirtschaftlichen Schaden bewahrten. Ging es dem Unternehmen immer gut?
Ulrike Lumbeck-Lahmer: Als unser Vater (Gustav III) nach dem 2. Weltkrieg 1955 das Holzlager übernahm, hatte es die geringste Substanz seit der Gründung. Doch durch das über Jahrzehnte gewachsene Vertrauen der treuen Kundschaft, auch dank des Einsatzwillens der Mitarbeiter und seiner Erfahrung als Schreiner konnte er die Firma wieder zu einem erfolgreichen Unternehmen ausbauen.
Allerdings traf uns der vorsätzlich gelegte Brand 1977 ziemlich stark. Es gab damals eine Serie von gelegten Bränden. Ich erinnere mich, dass beim Bauern Osten sogar Kühe mit verbrannten. Wir hatten dennoch Glück im Unglück. Die Feuerwehr schaffte es, die völlige Katastrophe zu verhindern. Es brannte nur der heutige Ausstellungsraum völlig aus und ein direkt daneben liegender Teil des Holzlagers ab. Während damals die Stahlträger schmolzen, blieben die dicken Holzpfeiler stehen und stützten weiterhin die Halle. Der Großteil des Holzlagers wird heute immer noch von der alten Holzkonstruktion getragen.
Editha Roetger: Wie sieht es heute bei Holz Lumbeck aus, welche Zukunftspläne hat das Unternehmen?
Ulrike Lumbeck-Lahmer: Holz braucht man immer. Man verdient zwar nicht so wahnsinnig viel, aber es ist beständig. Auch wenn die Zeiten schlecht sind und vielleicht nicht gebaut wird, dann wird renoviert oder der Garten kommt dazu. Holz ist kein Modetrend. Natürlich gibt es verschiedene Modelle und Designs. Wir haben im letzten Jahr die Gartenmusterschau mit Terrassen, Dielen und Zäunen ergänzt. Derzeit beschäftigen wir zwölf festangestellte Mitarbeiter, drei weitere kommen bei Bedarf dazu. Früher kauften hier mehr Handwerker ein, doch das hat sich gewandelt.
Es gibt immer mehr Privatkunden und das Einzugsgebiet weitet sich aus. Gerade durch das Internet kommen vor allem mehr junge Menschen z.B. aus Wuppertal und Essen. Gebaut und repariert wird immer. Ich denke, die 200-Jahrfeier richtet mein Sohn Robin aus.